10. Mai 2024

Unterwegs auf dem Dörferweg

Reportagenreihe «zTal und zBerg.
Schanfigger Momentaufnahmen». Heute im Porträt: Marianne Bamert
Marianne Bamert unterwegs auf dem Dörferweg Schanfigg.  | © Nina Homberger
Am Dorfladen: Marianne Bamert im Gespräch mit Vreni Jeyabalan. | © Nina Homberger
Dorfladen, Besenbeizen und natürlich der Dörferweg - vereint auf diesem Wegweiser in Peist. | © Nina Homberger
Marianne Bamert fühlt sich in Peist längst zuhause.  | © Nina Homberger
Am Dorfbrunnen in Peist.  | © Nina Homberger
Marianne Bamert unterwegs auf dem Dörferweg Schanfigg.  | © Nina Homberger
Am Dorfladen: Marianne Bamert im Gespräch mit Vreni Jeyabalan. | © Nina Homberger
Dorfladen, Besenbeizen und natürlich der Dörferweg - vereint auf diesem Wegweiser in Peist. | © Nina Homberger
Marianne Bamert fühlt sich in Peist längst zuhause.  | © Nina Homberger
Am Dorfbrunnen in Peist.  | © Nina Homberger

Zum Gelingen des Dörferwegs Schanfigg haben viele Menschen beigetragen, aber allen voran als Initiantin und unermüdlicher Motor Marianne Bamert. Ursprünglich als Zweitheimische nach Peist gekommen, ist das Dorf im Mittelschanfigg längst ihr erstes Zuhause – ein Zuhause, für das sie sich vielfältig engagiert. Nicht nur beim Zustandekommen des Dörferwegs, sondern auch als Co-Präsidentin des Verkehrsvereins Peist (zusammen mit Vreni Jeyabalan).

Zürich, Basel, Peist

Marianne Bamert ist Psychologin und Psychotherapeutin, seit 2021 hat sie ihre eigene Praxis in Chur, nachdem sie zuvor lange in Basel und Zürich gearbeitet hatte. Ihre Verbindung mit dem Schanfigg reicht aber viel weiter zurück. «Meine Schwiegereltern hatten ein Haus in Peist, das wir 2006 übernommen haben.» Mit den Jahren wuchs die Verbundenheit mit dem Dorf, «und wir haben uns hier sehr wohlgefühlt».

Fast unmerklich «sind wir dann in Aufgaben hineingerutscht. Ihre Partnerin Brigitte konzipierte den Dorfladen mit der Gründung einer Genossenschaft neu, sie selbst übernahm das Co-Präsidium des Verkehrsvereins. Schliesslich kam der Gedanke auf, «ob wir nicht ganz hierbleiben möchten». Gesagt, getan, «2012 haben wir unsere Papiere hierher genommen». Noch pendelten sie als Wochenaufenthalter nach Basel, doch auch das änderte sich mit der Eröffnung der eigenen Praxis in Chur 2021.

Von Basel und Zürich nach Peist ist es nicht nur kilometermässig ein grosser Sprung. Doch Marianne Bamert ist in Tuggen im Kanton Schwyz in einer ländlichen Umgebung aufgewachsen, «und ich habe die Stadt dann irgendwann auch mal gehabt und wollte es ein wenig ruhiger haben». Was es aber vor allem ausgemacht habe, sei die «starke Dorfgemeinschaft in Peist und die Bereitschaft, sich zu engagieren» gewesen. Und eintöniger ist es ihrer Meinung nach überhaupt nicht: In der Stadt bleibe man meist in seiner Szene, hier auf dem Dorf lebten ganz unterschiedliche Menschen, «und man hat mit allen zu tun». Dass in Peist oft die Sonne scheint, und das Dorf schön gelegen ist, waren weitere Faktoren. Ganz wichtig war ihr ebenso, dass Peist gut mit dem ÖV erschlossen ist.

Im Dorf wohlfühlen

An der Arbeit im Verkehrsverein reizt sie der doppelte Auftrag – Angebote für die Gäste zu entwickeln –, aber auch für die Einheimischen, «dass sie sich in ihrem Dorf wohlfühlen». Das sind zum Teil interne Vereinsanlässe, aber darüber hinaus offene Veranstaltungen, wie die «EssBar», das Peister Alpfest (zusammen mit den Älplern und den anderen Vereinen im Dorf), der Weihnachtsmarkt, Naturvorträge …

Damit füllt der Verein auch eine gewisse Lücke, nachdem es zwar erfreulicherweise zwei Besenbeizen gibt, aber kein Restaurant mehr. «Das bedauern die Leute schon sehr.» Das «Rössli» an der Kantonsstrasse kennen die meisten vom Vorbeifahren, doch gab es daneben einst noch das «Gartniel». «Ich habe das selber auch nicht mehr gekannt», erzählt Marianne Bamert, aber da das Restaurant einen Theatersaal gehabt habe, sei es für das Dorfleben sehr wichtig gewesen. Das Gebäude stehe zum Verkauf, «und wir hätten es als Verkehrsverein gern übernommen, aber leider haben wir die Mittel nicht». Dann hätte auch der Theaterverein Peist endlich wieder einen Saal, in dem er auftreten könnte. Doch mit dem Dorfladen und den Besenbeizen ist trotzdem für Leben gesorgt. Zudem findet Marianne Bamert es gut, dass Peist eben kein «Schlafdorf» ist. Viele Bauern lebten und arbeiteten noch im Ort, es gebe Gewerbe. «Das macht schon einen Unterschied.»

Ein Kind der Fusion

Die Idee zum Dörferweg Schanfigg ist aus dem Verkehrsverein heraus entstanden. Es war die Zeit der Fusion im Tal, als durch das Institut für Kulturforschung Graubünden (IKG) das Regionsprofil Arosa Schanfigg erarbeitet wurde, «da begann es, in unseren Köpfen zu rauchen». Etwas später wurde das Kulturhuus Schanfigg eröffnet und das Kulturforum ins Leben gerufen. Ebenso gab es neu die Talkommission mit Vertretern aus allen Dörfern. «Das ist eine bewegte Zeit gewesen.» Und eben bei einem solchen Kulturforum 2016 wurde erstmals die Idee zu einem das Schanfigg verbindenden Dörferweg vorgestellt. Insofern sei der Dörferweg schon ein Stück weit ein «Kind der Fusion» gewesen, gepaart mit Pioniergeist, sagt Marianne Bamert.

Dabei soll der Dörferweg den schon seit längerem bestehenden Schanfigger Höhenweg ergänzen, der aber eben nicht durch die Ortschaften im Tal führt und zu dem man erst einmal hinaufkommen muss ... Genau diese Lücke füllt der 2021 eingeweihte Schanfigger Dörferweg von Arosa bis Chur. Dabei eröffnet der Weg Chancen für den sanften Tourismus, wie er im Tal angestrebt wird, soll aber auch den Einheimischen wieder die Möglichkeit geben, von Dorf zu Dorf zu spazieren. Zum Teil konnte dabei auf bestehende Wege zurückgegriffen werden, zum Teil mussten alte Wege wieder begehbar gemacht oder neue angelegt werden. «Wir hatten bis dahin kaum Möglichkeiten, zu Fuss von Ort zu Ort zu gelangen» – allenfalls entlang der Kantonsstrasse, und das macht nun wirklich keinen Spass und ist überdies gefährlich. Das ursprüngliche Ziel, «Verbindungen zu schaffen», wurde so im doppelten Sinn erreicht, im übertragenen wie im wörtlichen.

Eine komplexe Planung

Bis es so weit gewesen ist, war es ein weiter Weg, der eine sehr komplexe Planung erfordert hat, sagt Marianne Bamert. Zuerst einmal habe erörtert werden müssen, ob es überhaupt ein Interesse an einem solchen Dörferweg gebe – gerade vor dem Hintergrund des Fusionsgedankens habe die Gemeinde dabei frühzeitig ihre Unterstützung signalisiert, «wenn es eine breite Trägerschaft dafür gibt». Nachdem es auch bei der ersten Vorstellung am Kulturforum positive Rückmeldungen gab, wurde die Interessengemeinschaft Dörferweg gegründet. Es wurden Ideen gesammelt, die Wegführung diskutiert und ein Konzept erarbeitet. Es folgte die Projekteingabe und der Auftrag einer Machbarkeitsstudie an Hansjürg Gredig.

Schliesslich wurde mit der damaligen Kulturfachstellenleiterin Sonja Rüegg, dem damaligen Revierleiter Forst Tal Werni Giger und Marianne Bamert eine dreiköpfige Projektleitung installiert, die auf zahlreichen Ebenen am Ende erfolgreich weibelte. Am Ende war klar, dass es eine förmliche Baueingabe beim Kanton brauchte, und zwar im Rahmen eines sogenannten BAB-Verfahrens (Bauen ausserhalb der Bauzone). «Davor haben wir schon Respekt gehabt.» Denn das gesamte Vorhaben wurde dadurch noch komplexer, als es dies ohnehin war. Doch nach einigem Hin und Her, verschiedenen Änderungen, Auflagen und Gutachten gab es für alle Probleme eine Lösung, auch für die schwierige Überquerung des Frauentobels bei Langwies – dafür plante Jürg Conzett einen Steg unterhalb der Kantonsstrasse, das mit Sicherheit spannendste Bauwerk des Dörferwegs.

Von Arosa bis Chur

Im Prinzip ist der Dörferweg Schanfigg mittlerweile begehbar von Arosa bis Chur. «Aber wir wollen den Weg weiter entwickeln», sagt Marianne Bamert. So könnte etwa der Abschnitt zwischen Lüen und Praden noch verbessert werden. «Das ist sehr steil und anspruchsvoll.» Ebenso führt der Dörferweg in einigen kleineren Abschnitten über Meliorationsstrassen, was für Wanderer eher wenig reizvoll ist. Hier werden Alternativen respektive andere Wegführungen überlegt.

Generell aber erfreut sich der Dörferweg seit seiner Eröffnung 2021 wachsender Beliebtheit. Auch vor dem Hintergrund der Weiterentwicklung des Tourismus generell war dies ein wichtiges Jahr, hat doch damals Arosa Tourismus das Marketing für das Tal mit übernommen, wobei Kulturfachstellenleiterin Carla Gabrí hier die Projektleitung übernommen hat und kulturtouristische Projekte entwickelt, die sich in das Konzept des sanften Tourismus einfügen.

Und ist die Initiantin des Dörferwegs inzwischen eigentlich schon den ganzen Weg gelaufen – fast, antwortet sie. Noch ein kleiner Abschnitt fehlt zwischen Malders und Calfreisen. Was Marianne Bamert am Dörferweg spannend findet, ist, dass die einzelnen Etappen sehr unterschiedlich und damit sehr vielseitig sind. «Sehr schön», findet sie persönlich den Weg von Peist nach Molinis hinunter und dann hinauf nach Tschiertschen. «Das ist landschaftlich schon sehr besonders.» Auch die Strecke von Pagig nach Castiel findet sie «eine sehr schöne Strecke», ebenso von Langwies nach Peist, oder von dort weiter nach Fatschél. Oder um es einfach zusammenzufassen: Es lohnen sich alle Abschnitte! Wobei Marianne Bamert darauf hinweisen möchte, dass der Dörferweg kein Spazierweg ist, sondern ein richtiger Wanderweg, der eine entsprechende Ausrüstung und je nach Höhenmeter auch etwas Kondition erfordert. «Das unterschätzen die Leute zum Teil.»

Den Weg mit Leben füllen

Und wie von Anfang an gedacht, ist der Dörferweg für Marianne Bamert «eine tolle Möglichkeit, den Fusionsgedanken weiter zu entwickeln» und den Dörferweg mit Leben zu füllen, auch mit diversen Veranstaltungen – etwa mit dem Projekt «

– Klingende Kulturgeschichte im Schanfigg» oder einer temporären Ausstellung in zwei Pagiger Ställen im Sommer. Eine kulturtouristische Attraktion auf dem Dörferweg könnte die Peister Mühle werden, die in ihrem Bestand gesichert werden soll. «Ich wünsche mir, dass es weiter eine breite Abstützung gibt. Mit der Kulturfachstelle und der Talkommission wurde dafür eine gute Grundlage geschaffen», ist Marianne Bamert überzeugt. «Und für Peist würde ich mir wünschen, dass es wieder einen Theatersaal gibt», greift sie einen Gedanken vom Beginn des Gesprächs abschliessend wieder auf. «Oder eine Beiz, oder ein Hotel», schliesst sie lachend.

Dieser Bericht ist Teil der neuen Reportagereihe «zTal und zBerg. SchanfiggerMomentaufnahmen», in der in der «Aroser Zeitung» die Menschen hinter den Schanfigger Natur-, Bewegungs-, Genuss- und Kulturangeboten porträtiert werden.

Carla Cabrí Arosa Tourismus | © Arosa Tourismus
Autorenschaft
Carla Gabri
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